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Zwischen Effizienz und Verschwendung Teil 3: Ein Tag im OP – ein Erfahrungsbericht

Im Gesundheitswesen weiss man, wie wichtig die Stimmen der Patientinnen und Patienten sind. Die meisten Gesundheitsorganisationen propagieren, dass die Patientinnen und Patienten an erster Stelle stehen. Auf der anderen Seite erwarten die Patientinnen und Patienten, dass die Zeit – ihre Zeit – effizient genutzt wird. Lean Institutionen konzentrieren sich auf das Wesentliche und darauf, die Bereiche der Verschwendung, die keinen Mehrwert für Patientinnen und Patienten und die Mitarbeitenden darstellen, zu eliminieren. Sie versuchen, Formen der Verschwendung im System zu beseitigen. Eine junge Ärztin hat beides erlebt. Sie weiss, was es bedeutet, in einer Lean Institution zu arbeiten und was es bedeutet, wenn Verschwendungen nicht aktiv im Betrieb beseitigt werden. In diesem Artikel beschreibt sie, wie ein Tag in beiden Institutionen normalerweise abgelaufen ist und wo sie die Unterschiede erlebt hat.

Der folgende Artikel ist ein Erfahrungsbericht einer jungen Ärztin in 5 Teilen: Teil 1 widmet sich dem Thema „Start in den Tag“. Der Teil 2 hat die Visite im Fokus. In Teil 3 dreht sich alles um die OP-Planung. Teil 4 findet auf der Notfallstation statt. Und im abschliessenden Teil 5 ist das „Tagesende“ im Fokus. Die Autorin hat in ihrer Karriere schon unterschiedliche Stationen hinter sich. Aus diesem Erfahrungsschatz vergleicht sie „Klinik A“, funktionierend nach klassischen Klinikprozessen und „Klink B“, eine nach Lean Prinzipien funktionierende Klinik. Sven Schüpbach hat die Erkenntnisse aufbereitet und steht gerne für Fragen zur Verfügung.

Im ersten Teil lag der Fokus auf dem Arbeitsbeginn, während der zweite Teil sich mit der Visite befasste. Nun präsentieren wir den dritten Teil, in dem die junge Ärztin ihre Erlebnisse und Erfahrungen im OP teilt. Als Chirurgin ist dieser Bereich für sie von entscheidender Bedeutung, und sie gewährt einen Einblick in die Herausforderungen und Besonderheiten, die mit der Arbeit im OP verbunden sind. Der Alltag im OP ist zugleich faszinierend als auch anspruchsvoll. Fehler kann man sich hier nicht erlauben.

Die Unterschiede zwischen zwei Kliniken, in denen die Ärztin tätig war, können nicht ausgeprägter sein. Während die eine Klinik nach den Prinzipien des Lean Managements strukturiert wird und dadurch ihre Prozesse optimierte, erlebt sie in einem kleineren ländlichen Spital eine völlig andere Realität.

«Operieren & OP-Planung»

Klinik A (non-lean)

Der elektive Operationsplan steht meist Wochen im Voraus fest, nur werden die Operateure frühestens am Vortag zugeteilt. Oft gibt es abends noch Änderungen und oft werden die Operateure auch am selben Tag erst zugeteilt. Um auf dem Laufenden zu bleiben, ist es zwingend notwendig, alle paar Stunden den Plan zu konsultieren. Heute bin ich früh in der Klinik und konsultiere zunächst den Operationsplan, um meinen Tagesplan entsprechend ausarbeiten zu können. Ich bin in die erste Operation des Tages eingeteilt, eine offene Revision einer Narbenhernie. Am Nachmittag werde ich noch bei einer Cholezystektomie dabei sein, dazwischen bleiben mir 1-2 Stunden für die Stationsvisite. Da ich früh genug da bin, habe ich meistens noch Zeit mich in die Fälle und Patientengeschichten einzulesen. Wenn ich den Papierkram auf den Nachmittag verschiebe, reicht es manchmal auch noch, die Operationsschritte zu überfliegen. Dies wäre nicht möglich, wenn ich, wie der offizielle Arbeitsbeginn vorgibt, erst um 07:00 Uhr eintreffen würde. Auf Station ist jedoch heute auch viel los, so dass ich mich auch hier einlesen muss. Da ich primär für die stationären Patientinnen verantwortlich bin priorisiere ich das. Am Ende bleiben mir 10 Minuten vor dem Rapport. Da ich als Assistenzärztin bei der Narbenhernienrevision wohl nur assistieren werde, die Cholezystektomie jedoch evtl. selbst durchführen darf, lese ich mich primär in diesen Fall ein und bereite mich hierauf vor.

Am Rapport erfahre ich, dass noch zwei Patienten auf der Notfallstation liegen, die heute zusätzlich zum elektiven Programm operiert werden sollen. Die Kaderärzte nicken, ein Operationsteam wird jedoch noch nicht festgelegt, dies geschieht dann spontan. Nach dem Rapport mache ich mich direkt auf den Weg in den Operationssaal, da die erste Operation immer um Punkt 08:00 Uhr beginnt. Die Vorgeschichte der Patientin ist komplex. Da sie mehrfach voroperiert ist, zeigt sich eine völlig veränderte und schwer nachvollziehbare Anatomie. Ich muss mich beim Oberarzt erkundigen, um einigermassen verstehen zu können, was er tut und was sein Plan ist. Ich erkläre ihm, dass ich mich leider nicht mehr habe vorbereiten können. Er erzählt mir freundlich die Geschichte der Patientin.

Nach 3.5 Stunden sind wir mit der Operation fertig, ich eile nach oben, um die Stationsvisite vor der Cholezystektomie zu schaffen. Ich gelange gerade ins Pflegebüro, als mein Telefon klingelt – es ist die OP-Dispo. “Du kannst jetzt in den Saal 2 kommen”, heisst es. Ich bin verwirrt. Die Cholezystektomie ist doch erst nachmittags geplant? Die nette Operationspflegefachfrau teilt mir mit, dass die Notfall-Appendektomie nun läuft und ich als Operateurin eingetragen bin – die Information ist bis jetzt nicht an mich gelangt. Ich eile also wieder in den Operationssaal und wende mich der Appendektomie zu, wobei ich weder den Patienten noch seine Geschichte kenne. Die Oberärztin, welche mit mir operiert, weiss auch nicht viel mehr. Wir beide wurden spontan in die Notfall-OP eingeteilt. Die Operation verläuft gut. Es ist nun 14:00 Uhr, ich eile nach oben zur Visite. Bei der 4. Patientin angelangt, klingelt erneut das Telefon. Ich soll jetzt in Saal 4 zur Cholezystektomie. Ich bitte die Pflegefachperson den von mir geöffneten Verband beim Patienten fertig zu machen, entschuldige mich und hetze in den Operationssaal. Die Visite muss warten.

Klinik B (lean)

Der elektive Operationsplan steht Wochen im Voraus fest, die Operateure werden jeweils wochenweise eingetragen, so dass Freitagabends bekannt ist, wer die Woche darauf wen und was operiert. Ich kann mich daher bereits am Wochenende in entsprechende Operationsschritte einlesen, wenn ich für eine Operation eingeplant werde, welche ich vorher noch nie gesehen habe. In die jeweilige Patientengeschichte lese ich mich meist am Tag zuvor ein. Wenn ich morgens ins Büro komme, weiss ich bereits vom Vortag, was mich heute im Operationssaal erwartet. Ich kann mich daher vor dem Morgenrapport in Ruhe auf die stationären Patienten konzentrieren und bereits einiges an Administration erledigen. Ich weiss, dass ich heute in der ersten Operation, einer Sigmaresektion dabei sein werde. Am späteren Nachmittag bin ich in einen kleineren proktologischen Eingriff eingeteilt, wobei ich als 1. Operateurin geplant bin. Durch meine Vorbereitung weiss ich, dass die erste Patientin Status nach mehreren Divertikulitiden hat und stark adipös ist, so dass die Operation etwas schwieriger sein und länger dauern kann. Ich schaue mir daher die kritischen Patienten bereits vor dem Rapport früh morgens an, so dass ich allfällige Probleme für die Zeit meiner Abwesenheit delegieren könnte. Am Rapport erfahren wir, dass noch eine notfallmässige Gallenblase operiert werden muss, wobei in die Runde gefragt wird, wer hierfür noch Kapazität hätte. Ich strecke meine Hand nach oben, der Chef nickt. Nach dem Rapport gehe ich direkt in den Operationssaal für die erste Operation, welche immer um 08:00 Uhr beginnt. Im Vorbeigehen teile ich der dortigen Koordinatorin mit, dass sie mich gerne für die Cholezystektomie einschreiben soll, welche noch angemeldet ist. Die Sigmaresektion verläuft unproblematischer als gedacht. Durch meine Vorbereitung konnte ich viele Fragen stellen bezüglich der Operationsindikation und warum der Operateur nun diese oder jene Technik anwendet. Kurz vor 11 Uhr laufe ich aus dem Operationstrakt raus und mache mich auf den Weg zur Stationsvisite. Beim 2. Patientenzimmer angelangt klingelt mein Telefon, die Operationskoordinatorin teilt mir mit, dass ich in 20-25min in Saal 4 zur Gallenblase kommen kann. Die genannte Zeit reicht mir gut, um die Visite im aktuellen und im nächsten Patientenzimmer noch in Ruhe zu erledigen, sowie kurz die Notfalldokumentation der Patientin durchzulesen. Sie hat wohl neben symptomatischen Gallensteinen noch eine kleine Nabelhernie, welche mitversorgt werden soll. Ich plane daher meinen Zugang unterhalb des Bauchnabels zu machen, statt linksherum. Die Cholezystektomie verläuft gut, gegen 14 Uhr bin ich zurück auf Station und kann die Visite fortführen und in Ruhe beenden. Als ich im Büro mit der Verlaufsdokumentation beginne klingelt erneut mein Telefon. Der erste proktologische Eingriff wird in 15 Minuten bereit sein. Ich schreibe rasch meine Verläufe zu Ende und esse dabei eine Kleinigkeit. Nach der letzten Operation des heutigen Tages beende ich die nötigen Büroarbeiten und lese mich in die Patientenakten der morgigen für mich geplanten Operationen ein.

Das ist der dritte Teil einer Serie von Erfahrungsberichten einer jungen Ärztin. Teil 4 folgt.

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Healthcare Consultant und Marketingmanagerin bei walkerproject

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