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Pilot «Integrierter Patientenpfad COPD»

In der Schweiz leiden rund 400’000 Menschen an COPD. Das Projekt Pilot «Integrierter Patientenpfad COPD» zielt darauf ab die Lebensqualität von Patienten/innen zu erhöhen, indem Wissen und Werkzeuge geschult werden, mit denen die Erkrankung weitgehend selbst gemanagt werden kann. Entlang des Patientenpfads wurden zentrale Kernelemente definiert und entwickelt. Arztbesuche werden anhand des «Care Bundles» strukturiert. Patienten/innen werden von einem «COPD-Coach» unterstützt, welcher sicherstellt, dass diese bei Bedarf einen Termin bei ihrem Behandlungsteam wahrnehmen. Ein verbessertes Selbstmanagement und Gefühl für die Erkrankung durch das Programm «Besser leben mit COPD» soll die Reduktion der Hospitalisationen infolge von Exazerbationen vermindern und somit die Kosten fürs Gesamtsystem reduzieren. In einem Pilotprojekt im Kanton Thurgau sollen alle Elemente zur Anwendung kommen und die Verbesserung der Situation für Betroffene aufzeigen.

About 400’000 people suffer from COPD in Switzerland. The project «Integrated Patient Pathway COPD» aims to improve the patient’s quality of life, by training knowledge and tools, which help them managing the disease largely on their own. Along the patient pathway, specific core elements were defined and developed.
Doctors’ visits are structured by using the «Care Bundle». Patients are supported by a «COPD coach», who ensures that they make an appointment with their doctors, if necessary. The «Better living with COPD» program improves their selfmanagement and awareness of the disease. As a result, hospitalizations due to exacerbations decrease and thus the costs for the entire system are reduced. With a pilot project in the canton of Thurgau, all elements are to be applied to improve the situation for those affected.

COPD – eine Krankheit mit hoher Dunkelziffer

Im Rahmen der Initiative «Brennpunkte Gesundheit Thurgau» hat eine interdisziplinäre Projektgruppe ein Konzept für einen integrierten, modularen Patientenpfad für COPD-Patienten/innen entwickelt und sich dabei auf bestehende Erfahrungen und evidenzbasierte Programme abgestützt. Ein frühzeitiger und proaktiver Umgang mit der Krankheit soll künftig zu einer präventiven statt reaktiven Leistungserbringung führen und somit bestimmten Symptomen vorbeugen und diese möglichst verhindern.

In der Schweiz leiden rund 400’000 Menschen an COPD (1). Laut BAG betragen die jährlichen direkten Gesundheitskosten von COPD 603 – 847 Mio. CHF, die indirekten Kosten (frühzeitige Pensionierung und Absenzen) gar 932 Mio. CHF (2). Die deutlich höchsten Kosten fallen bei Exazerbationen von Patienten/innen an, die zu Hospitalisation auf einer Intensivstation führen (3). 50% der Betroffenen erleiden einmal im Jahr eine Exazerbation mit Hospitalisation, 30% werden zweimal hospitalisiert und bei 19% sind es drei oder mehr Spitalaufenthalte.

Das Pilotprojekt soll zu einer koordinierten Versorgung der COPD- Erkrankung beitragen. Es erhöht die Lebensqualität von Patienten/ innen, indem Wissen und Werkzeuge vermittelt werden, mit denen die Patienten/innen die Erkrankung weitgehend selber managen können. Unterstützt werden die Patienten/innen von einem COPD- Coach, welcher sicherstellt, dass diese bei Bedarf frühzeitig wieder bei einer Hausärztin oder einem Spezialisten einen Termin wahrnehmen. Ein verbessertes Selbstmanagement und Gefühl für die Erkrankung soll die Reduktion der Hospitalisationen infolge von Exazerbationen vermindern und somit die Kosten fürs Gesamtsystem reduzieren.

Das Konzept «Integrierter Patientenpfad COPD»

Der integrierte Patientenpfad fasst die zentralen Leistungserbringer im Kanton Thurgau (Lungenliga, Kantonsspitäler, Hausärztinnen, Reha, Komplementärmedizinanbieter, Versicherer, Apotheken etc.) zu einem koordinierten Leistungssystem zusammen. Entlang

des Pfades wurden zentrale Kernelemente definiert und entwickelt, welche nachfolgend vorgestellt werden.

Kernelemente:
  • Im Programm «Besser Leben mit COPD» wird das Selbstmanagement der Patienten/innen gefördert. Ziel ist es, Patienten/ innen zusammen mit den Angehörigen zu befähigen, die Krankheit so weit wie möglich selbst zu managen. Es umfasst die Module: Ursachen und Auswirkungen von COPD; Medikamente und Aktionsplan; Atem- und Hustentechniken; Alltagsplanung; Körperliche Aktivität, Ernährung, Rauchen und Psyche (4).
  • Mit der Koordinationsrolle «Coach» haben Patienten/innen eine stetige Ansprechperson, die niederschwellig erreichbar ist. Der Coach hilft den Patienten/innen im richtigen Moment die richtige Leistung in Anspruch zu nehmen. Er informiert sich regelmässig über den Fortschritt der Therapie, die Symptome, etc. und steht in Austausch mit den Hausärzten/innen. Bei Bedarf eskaliert er frühzeitig an das Behandlungsteam, um akute Situationen zu verhindern.

Die Kernelemente sind für sich erprobt und deren Evidenz belegt. In dem Pilotprojekt sollen sie kombiniert und koordiniert zwischen den Leistungserbringern zum Einsatz kommen. Hierfür werden insbesondere interessierte Hausärzte im Thurgau gesucht, welche bei der Pilotdurchführung mitmachen. Für den Einsatz der Kernelemente sind mit einem Versicherer Managed-Care Vergütungen abgemacht worden.

Darüber hinaus soll auf einer Informationsplattform das Krankheitsbild erläutert und die verschiedenen Angebote dargestellt werden, um es den Betroffenen zu ermöglichen, sich leichter orientieren zu können.

Voraussichtliche Wirkung

Das Programm «Besser leben mit COPD» ist mehrfach auf seine Wirksamkeit untersucht worden (6). Auf Basis der Datenlage bei

den Teilnehmenden wird gemäss J. Bourbeau (2003) (7) mit einer 40% Reduktion der Hospitalisationen auf Grund des verbesserten Selbstmanagements gerechnet.

  • Reduktion von 39.8% der Hospitalisationen bei akuten Exazerbationen
  • Reduktion von 57.1% der Hospitalisationen bei anderen Gesundheitsproblemen (z.B. Herz- Kreislaufprobleme)
  • Reduktion von 42.4% der totalen Hospitalisationstage
  • Und gleichzeitig eine signifikante Erhöhung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität

Das «Care Bundle» wurde vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich entwickelt. Die Daten zeigen, dass die Betreuung der Patienten/innen mit Hilfe des «Care Bundles» signifikant besser durchgeführt wurde (8).

Wirtschaftlichkeit

Der zentrale Kostentreiber in der Betreuung von COPD-Patienten/innen sind die Hospitalisationen nach Exazerbationen und insbesondere die intensivmedizinische Stabilisierung von solchen Patienten/innen. Mit einem guten Selbstmanagement und mit einer regelmässigen Begleitung von COPD-Patienten/innen lassen sich die Exazerbationen reduzieren und für einige Betroffene gar verhindern. Eine Stabilisierung des COPD-Grades und ein gutes Selbstmanagement reduzieren die Gesundheitskosten für diese Patienten/innen. Die stationären Kosten belaufen sich nach Kirsch et al. auf durchschnittlich 485 – 2‘986 CHF pro COPD- Patient/in pro Jahr. Das entspricht bis zu 51% der Gesamtkosten von durchschnittlich 1‘889 – 5‘752 CHF eines COPD-Patienten, die sich reduzieren lassen (9).

Stakeholder und deren Nutzen

Patienten/innen fühlen sich weniger alleine gelassen und ganzheitlicher betreut durch die Patientenschulung und die Begleitung durch den Coach. Sie lernen, wie sie ihre eigene Erkrankung managen können. Insgesamt steigen dadurch ihre Lebensqualität und ihre physische Leistungsfähigkeit signifikant (10).

Ein einfaches interprofessionelles Zusammenspiel zwischen Hausarzt, Coach, Lungenliga, Pneumolog/innen, Spitälern und andern Leistungserbringern ist gewährleistet. Eine strukturierte Checkliste für COPD-Patienten/innen vereinfacht die regelmässigen Untersuchungen. Hausärzte können sich auf die Kerngespräche (Initialge- spräch, Check-ups) fokussieren. Eine Entschädigung für die Hausärztinnen erfolgt im Rahmen von Managed-Care Verträgen. Bei der Behandlung und Therapie von COPD-Patienten/innen kommt es zu weniger Doppelspurigkeit.

Das Programm hilft insgesamt die Kosten der COPD-Behandlun- gen zu senken. Dementsprechend können bei den Krankenversi- cherern bzw. den Kantonen Einsparungen erzielt werden.

Herausforderungen und Ausblick

Als grösste Herausforderungen im Rahmen des Projektes erwiesen sich:

  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit: zentral erscheint, in einem solchen Projekt die Gesamtinteressen und jene der Patienten/ innen im Fokus zu behalten und sich nicht zu stark durch Partikularinteressen leiten zu lassen.
  • Finanzierung: obwohl der Nutzen und die Evidenz für eine integrierte Versorgung und Patientenschulungen vorliegen, fehlt es bis heute an der entsprechenden Regelfinanzierung.
  • Mitwirkung der Ärzteschaft: Aus unterschiedlichen Gründen geniesst das Projekt nicht höchste Priorität bei den Hausärzten. Eine Umsetzung ist ohne diese Berufsgruppe jedoch schwie- rig. Bisher ist es nicht gelungen, sie für die nächsten Etappen ins Boot zu holen.

Das Konzept eignet sich gut, um künftig auch Elemente digital und per Telemedizin durchzuführen.

Take-Home Message

  • Entlang eines Integrierten Patientenpfad COPD wurden verschiedene bereits existierende, evidenzbasierte Elemente neu kombiniert. Diese wirksamen Einzelelemente sind für viele Krankheitsbilder vorhanden.
  • Von der Umsetzung dieser Elemente profitieren alle Stakeholder (Patienten/innen, Leistungserbringer, Krankenversicherer / Finanzierer).
  • Patienten/innen lernen ihre Erkrankung weitgehend selber zu mana- gen und haben als Unterstützung einen Coach an ihrer Seite.
  • Ein Change im Gesundheitswesen ist aufgrund vielfältiger Gründe (Unterschiedliche Interessen und Prioritäten, Finanzierung von Einzelleistungen, keine Anreize zur institutionsübergreifenden, gemeinsamen Optimierung) schwierig.

Hier finden Sie den kompletten Artikel. 

Der Artikel erschien in der Ärztezeitung http://www.medinfo-verlag.ch

Autoren

Hugo Bossi, Geschäftsführer bei Lungenliga Thurgau Lungenliga Thurgau
Bahnhofstrasse 15, 8570 Weinfelden h.bossi@lungenliga-tg.ch

Fabian Bischof, Principal Consultant & COO bei walkerproject walkerproject ag
Sandrainstrasse 9, 9010 St. Gallen fabian.bischof@walkerproject.com

Meriel Meiling, Consultant bei walkerproject walkerproject ag
Sandrainstrasse 9, 9010 St. Gallen meriel.meiling@walkerproject.com

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