Skip to content

Lean Operations Center: Sicherheit für Planung und Steuerung in COVID-19-Zeiten und danach

Whitepaper Corona Future Management ist die Plattform der medizinisch wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft mit Beiträgen von Experten und Expertinnen unterschiedlicher Disziplinen. In diesem Blog können Sie das Whitepaper der Autoren Dr. Christophe Vertterli und Raphael Roth lesen. Das Whitepaper können Sie hier auch als PDF downloaden.

Wie über Design Thinking und Lean Prinzipien eine Spitalgruppe eine krisenbeständige Agilität geschaffen hat.

Als Armstrong den berühmten kleinen Schritt auf dem Mond vollzog, ist sehr Vieles geglückt. Wie war es nebst unfassbarem Mut einzelner Personen möglich, die Distanz, die Fülle an Daten, die Unvorhersehbarkeiten zu planen und die Komplexität so zu erfassen, dass die Kontrolle über die Situation erhalten blieb? Eine zentrale Rolle spielte zweifelsohne die sogenannte Mission Control, welche die richtigen Informatio- nen, zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort zum richtigen Entscheidungsteam überführte. Was wollte man kontrollieren? Es ging darum, drei Menschenleben sicher dorthin zu bringen und wieder zurück auf der Erde landen zu lassen. Zugegebenermassen war das jedoch der weniger zentrale Teil im Vergleich zum Prestige und Beweis der Technologie- und Innovationsführerschaft im Kopf-an-Kopf Rennen mit der damaligen Sowjetunion. Auch über 50 Jahre später bedient sich die neuzeitliche und teils privatfinanzierte Raumfahrt einer solchen Mission Control – sie hat nichts an Kraft und Wichtigkeit verloren.

In Krankenhäusern ist das Prestige in Zeiten von COVID-19 weniger zentral. Es geht täglich darum, den Betrieb und die bestmögliche Betreuung der Patienten unter schwierigen Bedingungen sicherzustellen. Auch in Non-COVID-19-Zeiten ist die Koordination von Informationen, Problemlösungsprozessen und Entscheidungen oft zufällig und basiert nicht auf Echtzeit-Daten. Nur mit enormem Aufwand und sehr viel Verschwendung trotz knappen Ressourcen, korrigieren Einzelpersonen und schaffen Transparenz in der Situation. Der Bettenrapport am Vormittag hat beispielsweise meist bereits veraltete Bettenkapazitäten zum Gegenstand und ist somit weitgehend wertlos. Die Verfügbarkeit von Ärzten für den morgigen Tag basiert auf Hoffnung, dass die Dienstpläne stimmen. In COVID-19 Zeiten akzentuieren sich diese Schwierigkeiten und die Relevanz von Informationen und validen Entscheidungsgrundlagen nimmt zu. Gerade in Krisenzeiten sind Sicherheit und schnelle Entscheidungen über standardisierte Abläufe ein noch grösseres Bedürfnis. Das Führungsteam soll Sicherheit bieten und die richtigen Entscheide faktenbasiert treffen können. Ähnlich wie in Houston, Texas, im Juli 1969, geht es in der «Mission Control» COVID-19, um die grösstmögliche Kontrolle der Situation. Diese soll nicht nur reaktiv sein, sondern mögliche Probleme wie zum Beispiel Personalengpässe und Bettenknappheiten antizipieren und kontinuierlich über automatisierte Prozesse transparent machen. Es geht darum rechtzeitig die richtigen Gegenmassnahmen, wie beispielsweise die Aktivierung von weiteren Intensivpflegeplätzen einzuleiten – bevor die Situation bereits eskaliert ist und ein zusätzlicher Stressfaktor entsteht.

Eine Krankenhausgruppe in der Schweiz mit insgesamt 5 Standorten und über 400 Betten befand sich nahe an einer sehr stark betroffenen Region. Sie hat sich Ende Februar 2020 entschieden, das Grundprinzip einer Mission Control zu nutzen. Die Entwicklung eines COVID-19 Operations Center wurde eingeleitet.

Soviel vorweg: Die Krise hat auch gute Seiten. Es konnten Dinge entwickelt werden, die vorher in 10 Jahren nicht möglich waren, meinte der medizinische Direktor an einem Abend mitten in der Krise.

Entstehung eines Lean Operations Centers für COVID-19 und danach

Das Operations Center der ersten Generation wurde zuerst mit meist analogen Elementen innert 7 Tagen live geschaltet. Folgende Kernelemente waren ausschlaggebend:

  1. Physischer Raum mit Entscheidungsträgern
  2. Standardisierter Informationsfluss von der Basis ins Operations Center und zurück
  3. Zentrale Datenaggregierungslogik
  4. Strukturierte Kommunikationswege

1. Physischer Raum mit Entscheidungsträgern

Das Operations Center trägt nicht umsonst das Wort «Center» in sich. Ein essentieller Bestandteil ist der physische Raum, wo sich die Entscheidungsträger zentral informieren und sich abstimmen. In diesem Raum braucht es Cockpits, welche die Fakten darstellen. Erst diese räumliche Nähe bringt wirklich Geschwindigkeit in die Entscheidungsprozesse. (Informations-)Wege sind um ein Vielfaches kürzer. Insgesamt sind die relevanten Funktionen ständig besser informiert, wodurch rasche und fundierte Entscheidungen getroffen werden können.

Damit durch die vielen Personen vor Ort die Produktivität nicht verloren geht, braucht es für jede Rolle eine klare Beschreibung und einen fix definierten Arbeitsplatz. Es ist standardisiert, wo welche Informationen aufgezeigt werden, wer in welcher Reihenfolge spricht und wie Entscheidungen herbeigeführt werden. Nur so werden die Geschwindigkeit und Effizienz aufrechterhalten.

Dieses Verhalten braucht Übung. Doch wie im Fall dieser Krise das ganze Operations Center viel schneller als sonst aufgebaut wurde, gewöhnten sich auch hier die Involvierten rasch an ihre Rolle und damit verbundenen Aufgaben. Als Erfolgsfaktor erweist sich dabei, so viel wie möglich zu visualisieren: Namensschilder auf Arbeitsplätzen und Stehpulten in den Sitzungszimmern zu stellen, die Struktur und Standards für die regelmässigen Treffen auf Plakaten an die Wand zu hängen, Wegweiser in und ausserhalb des Gebäudes aufzustellen. Ein weiterer Gewinn ist die einfache Zugänglichkeit des physischen Raums und die Verfügbarkeit von unterschiedlich grossen Rückzugs- und Sitzungszimmern, um bilaterale Belange direkt nach Treffen der grösseren Gruppen rasch und effizient besprechen zu können.

Ein zentraler Entscheidungspunkt ist der Morgen-Huddle des Entscheidungsteam im Operations Center: Es ist 8.30 Uhr. Den Lead hat heute der stellvertretende ärztliche Direktor. Er grüsst kurz in die Runde und wirft dann einen Blick auf den Screen mit den aktuellsten Zahlen. Die IPS-Belegung ist stabil, aber das Material, speziell der Vorrat an FFP2-Masken leuchtet rot auf. Er orientiert sich am Standard und gibt das erste Wort dem Chefarzt der Intensivstation. Dieser ist zufrieden, meldet bisher keine Ansteckungen beim Personal. Weiter geht es mit dem Chefarzt der Notaufnahme, er erwartet heute ein grosses Aufkommen, weil das schöne Wetter der letzten Tage die Menschen nach draussen gelockt hat. So wird das Wort weiter gereicht an den Infektiologen und Chefarzt Innere Medizin. Weitere Funktionen stehen bei spezifischen Fragen per Video zur Verfügung. Gewisse winken ab, sie haben nichts Akutes zu berichten. Der Logistikleiter meldet, dass aufgrund des knappen Vorrats Masken während der gesamten Schicht nicht gewechselt werden dürfen. Die neue Maskenbestellung stünde derzeit an der Grenze in Deutschland. Nun melden sich auch noch die Schnittstellen, die per Video zugeschaltet wurden zu Wort. Der Standortverantwortliche des zweitgrössten Standortes fragt, ab wann denn wieder erste OPs geplant werden könnten. Der stv. Ärztliche Direktor antwortet, dass dies Thema der Sitzung am Nachmittag sei und er aktuell keine spezifischen Daten nennen könne. Abschliessend wirft das Gremium noch einen Blick auf die Fragen aus den Stationen, welche an den Stationshuddles gesammelt wurden. Station F fragt, wie die Handhabung bei verstorbenen Covid-19 Patienten vorgesehen sei. Die Frage wird dem Verantwortlichen der Infektiologie zugeteilt. Er wird seine Antwort später in einem eigens dafür eingerichteten Online-Tool formulieren und den Stationen zurücksenden.

Es ist 08:44 Uhr – der Huddle endet pünktlich in der 15-Minuten-Frist und alle machen sich wieder an die Arbeit.

2. Standardisierter Informationsfluss von der Basis

Das Operations Center kann nur funktionieren, wenn es die relevanten Daten zum aktuellen Geschehen recht- zeitig zur Verfügung hat. Die Daten müssen ausserdem überall gleichermassen, also standardisiert erhoben und zum gleichen Zeitpunkt übermittelt werden. Nur so lassen sich Vergleiche anstellen, Entwicklungen beschreiben und Gegenmassnahmen faktenbasiert treffen.

Um dies sicherzustellen braucht es von der Basis über die Klinik- und Departementsebene klare Strukturen und einen Eskalationsstandard. Im Rahmen von sogenannten Huddles, Kurzaustauschtreffen in den Teams, werden Informationen gezielt und standardisiert abgefragt. Der Fokus liegt dabei auf Abweichungen vom Alltagsgeschehen. Dies können kurzfristige Ausfälle wegen Krankheit, fehlende Bettenkapazitäten oder Ähnliches sein. Solche «Red Flags» werden an die nächst höhere Führungsstufe eskaliert – die Eskalation geht jedoch nur soweit bis eine Stufe das Problem lösen kann. Es wird nie weiter als nötig eskaliert. In einem Standardkalender sind die Huddles der unterschiedlichen Führungsstufen aufeinander abgestimmt. Nicht lösbare Probleme landen im Operations Center, wo Massnahmen eingeleitet und zurück an die betroffene Stelle kommuniziert werden. Natürlich kann der Informationsfluss auch vom Operations Center gestartet werden. Wird ein Engpass auf der Notaufnahme antizipiert, werden entsprechende Entlassungsweisungen an die Stationen mitgeteilt. So wird sichergestellt, dass der Abfluss aus der Notaufnahme möglich bleibt.

Sandra Werner ist Stationsleiterin der Station F. Es ist 15:30 Uhr und die Pflegekräfte sowie die zuständigen Assistenzärzte haben sich vor dem Stützpunkt für den Nachmittags-Huddle versammelt. Das Huddle-Cockpit ist an einem grossen Bildschirm abgebildet. Frau Werner moderiert und aktualisiert die Daten direkt. Als erstes fragt sie nach Veränderungen im Bereich A der Station F. Ein Verdachtsfall hat sich als Covid-19-negativ erwiesen, er wird direkt auf eine Non-Covid-19 Station verlegt. Im Bereich B der Station steht noch eine geplante Entlassung aus. Frau Werner fragt den Assistenzarzt, wieso diese noch nicht durchgeführt wurde. Es fehle noch die Unterschrift des Oberarztes im Bericht. Dr. Meissner, ebenfalls anwesend am Huddle, sichert ihm zu, dies gleich im Anschluss zu erledigen. Nun liest Frau Werner noch die Antwort zur Frage ihre Station, welche im Operations Center heute morgen adressiert wurde. Unter strenger Aufsicht dürften max. 2 Angehörige den Verstorbenen nochmals kurz sehen. Sandra Werner wünscht einen guten Dienstabschluss und erinnert an den nächsten Huddle am Folgetag um 07:30 Uhr – vor dem Huddle im Operations Center um 08:30.

3. Zentrale Datenaggregierungslogik

Es ist nicht so, dass Krankenhäuser keine Daten auswerten und Statistiken erstellen würden. Das häufige Problem in den Krankenhäusern sind die unterschiedlichen Informationssysteme über die Abteilungen hinweg. Nicht selten arbeiten die Notaufnahme, das Labor und die Pathologie mit anderen Systemen als die Bettenstationen oder Ambulatorien. So ist es unmöglich eine ganzheitliche Sicht beispielsweise zu Bettenkapazitäten zu haben. Gerade aber in Krisen muss man den vorhandenen Daten vertrauen können. Es hilft nicht, wenn Systeme andere Bettenkapazitäten anzeigen, als die telefonisch eingeholten Informationen der zuständigen Personen. Um Entscheidungen fällen zu können, braucht es täglich dieselben Datengrundlagen. Erst wenn eine übergreifende Aggregationslogik funktioniert, können diese Daten auch mit Prognosen hinterlegt werden. So steigt die Qualität der Daten und die Möglichkeit wirklich datenbasiert zu arbeiten. Dies wiederum ermöglicht dem Führungsgremium den Wechsel vom Reaktionsmodus zum Aktionsmodus.

Die Datenaggregation im Operations Center folgt einer ganzheitlichen Logik. Die Echtzeitdaten aller Bereiche werden in virtuellen Cockpits auf überall zugänglichen Bildschirmen dargestellt, damit sie direkt Entscheidungsgrundlagen für die dezidierten Personen liefern. Es gilt als erstes zu entscheiden, welche Datenquellen herangezogen werden sollen. Diese müssen standortübergreifend dieselben sein. Das Ziel ist es, nicht nur rohe Daten aufzuschalten, sondern auf den Bildschirmen im Operations Center Diagramme darzustellen, die Verläufe aufzeigen, bei denen man Prognosen hinzufügen kann, so dass schliesslich die Anzeigen auf dem Cockpits Handlungen auslösen. Diese Handlungsorientierung ist zentral. Jede Rolle muss wissen, was in einer spezifischen Situation zu tun ist und wie Problemlösungen richtig initiiert werden.

Laurin Matthews ist der IT Verantwortliche und hat mit seinem Team in nur einer Woche Dinge ermöglicht, die vorher in zehn Jahren nicht umgesetzt wurden. Er sitzt mit einem Entwickler und dem Ausbildungsverantwortlichen der Pflege zusammen und arbeitet an der zweiten Version des Huddle-Cockpits. Die Bedürfnisse sind je nach Nutzern sehr unterschiedlich. Auf den Stationen soll das Cockpit so simpel wie möglich sein, ohne Spezialfunktionen, ohne schönes Design, ohne «Gadgets». Es bleibt wenig Zeit für Schulungen, also müssen die Felder selbsterklärend sein. Alles, was nicht ausgefüllt werden soll, wird gesperrt.

Im Gegensatz dazu sind die Cockpits im Operations Center detaillierter und bieten unterschiedliche Filterfunktionen an. Sie sammeln Daten aus unterschiedlichen Systemen, teilweise sogar aus Excel-Sheets oder von Hand eingegebene Informationen. Es ist schliesslich erst der erste Prototyp, der während der Krise erarbeitet wurde. Die Weiterentwicklung folgt, indem man lernt, was wirklich von Nutzen ist und was nicht. So funktioniert De- sign Thinking: Iteration über Iteration zu immer besseren Lösungen im hohen Tempo an den Bedürfnissen orientiert.

4. Strukturierte Kommunikationswege

In der Krise ist das Ziel rasch und klar zu kommunizieren und dies auf allen Ebenen – stufenadäquat. Der Krisen- stab benötigt räumliche Nähe, die richtigen Datengrundlagen und Strukturen, um regelmässig Entscheidungen treffen zu können. Gerade die Kommunikationsverantwortlichen sind auf die räumliche Nähe besonders angewiesen. Sie bilden die Schnittstelle zum Kommunikationstool, dass eigens für alle Mitarbeitenden eingerichtet wurde. Sie müssen für alle Inhalte jeweils von den richtigen Schnittstellen die Freigabeerlaubnis einholen. Denn sie sind es, die auch die «anderen» Ebenen abholen und kontinuierlich informieren müssen: Die Mitarbeitenden, Bevölkerung, Medienverteter usw.

Wie kann dies gewährleistet werden? Wie werden möglichst viele Mitarbeitende rasch erreicht? Eine App bot hier rasch eine Lösung. Sie funktionierte als Front-End für alle Anspruchsgruppen. Dies liess sich technisch schnell umsetzen und war einfach mit den relevanten Inhalten zu bespielen.
Es gibt diverse Anbieter in diesem Markt. Wichtige Kriterien bei der Auswahl sind: die Anpassungsfähigkeit und Übersichtlichkeit, die Geschwindigkeit der Umsetzung, die Einfachheit der Anwendung für die Nutzer und schliesslich auch die Kosten. Bis anhin wurden die meisten Informationen über das Intranet geteilt, doch das wird in einer Krise irgendwann zu unstrukturiert und irrelevante Informationen lenken ab. Das Kommunikationsinstrument muss unterschiedliche Teilnehmerkreisen bedienen, die Option von persönlichen Nachrichten, einen Live Ticker zu den relevanten Kennzahlen usw. enthalten.

Die Kommunikationsverantwortliche Bettina Sommerhalder ist sehr beschäftigt in diesen letzten Wochen. Ihre Arbeit hat sich stark verändert. Normalerweise hat sie Tage bis Wochen Zeit mit ihrem Team Inhalte zu generieren, diese von unterschiedlichen Schnittstellen absegnen zu lassen. Sie ist froh, dass sie ein Filmteam zur Seite hat, das innert 24 Stunden Informations- und Schulungsfilme entwickelt – es muss nicht perfekt sein, sondern mit dem richtigen Inhalt und schnell. Sie selber versucht so viele Freigaben wie möglich beim täglichen Huddle um 08.30 einzuholen. Ständig klingelt das Telefon. Sie beruft regelmässige Medientermine ein. Die Bespielung der App für die Mitarbeitenden hat sie inzwischen ausgelagert. Es ist klar definiert, wer welche Inhalte liefert. Diese werden in Vorlagen abgefüllt und dann automatisch gepostet.

Die Vorteile und Herausforderung bei der Einbettung

Vorteile

Bei den grössten Brennpunkten ansetzen und rasch verwendbare Handlungsmöglichkeiten zu kreieren, das war die Devise. Eine Krise bietet die Chance, Dinge anzupacken, die jahrelang keinen Konsens fanden, als nicht dringlich eingestuft und immer wieder nach hinten verschoben wurden. Das Operations Center greift tief in die DNA des Krankenhauses ein. Die Komplexität des Systems wird im Operations Center greif- und steuerbar. Die Politik- und Machtspiele werden spürbar – aber in der Krise geht es darum, dass alle am selben Strick ziehen.

In dieser Zeit wurden folgende Ergebnisse erzielt:

  • Schnellere Kommunikation & durchgängiger Informationsfluss: Mit der breiten Einführung von Huddles in allen Abteilungen, die zweimal täglich durchgeführt werden, ent- steht ein direkter Informationskanal ins Operations Center. Über den Huddle kommunizieren die Abteilungen Personal- und Materialengpässe, nicht lösbare Probleme oder können Fragen stellen. Diese werden im Operations Center direkt bearbeitet. Es gelang, über 80% der Anfragen innerhalb von weniger als 60 min an die Funktionen zu adressieren. Bei den restlichen 20% wurden die Problemlösungsstrategie und der nächste Zeitpunkt kommuniziert. Diese Verbindung führte dazu, dass sich die Mitarbeitenden an der Front «gehört» fühlten. Natürlich können nicht alle Probleme in Tagesfrist gelöst werden. Doch es gibt einen für alle einheitlichen, strukturierten Kommunikationskanal, der in beide Richtungen funktioniert. Die im Huddle-Cockpit eingegeben Daten und Informationen sind für alle Abteilungen dieselben. In der zusätzlich installierten App, worüber alle Mitarbeitenden der fünf Standorte regelmässig informiert werden, waren diese Informationen in konsolidierter Form wieder abgebildet. Dies erhöhte das Commitment und das Verständnis der Basis für die neu eingeführte Huddle-Struktur. Es war ihnen klar, weshalb die von ihnen eigegebenen Daten und Informationen so wichtig für die weiterführenden Entscheidungen waren.
  • Transparenz: Die Krise zeigt mehr denn je wie wichtig Transparenz ist – Transparenz über das zu Verfügung stehende Material und Geräte, über Personalveränderungen und vor allem über Intensivbettenkapazitäten. Umso bedenklicher ist es, dass das Zusammentragen dieser Fakten in den meisten Häusern noch «händisch» läuft; über Telefonate mit den Stationsleitungen am Morgen, über das «Vorbeischauen» in den Lagern und Abteilungen. Mit dem Operations Center wurde innert weniger Tage ein System aufgebaut, das all diese Zahlen in digitaler Form aggregiert und auswertet (wobei vorerst gewisse Dinge noch in Excel-Sheets gesammelt wurden). Nach sieben Tagen konnten alle entscheidungsrelevanten Zahlen bereits um 8.30 Uhr auf dem Bildschirm abgebildet und an die zuständige Politische Behörde weitergeleitet werden. Es funktioniert, wenn sich alle an die vereinbarten Standards halten. Wenn der Wille und der Zeitdruck da sind, können in kürzester Zeit entsprechende Cockpits entwickelt und programmiert werden. Wieso warten bis eine Krise kommt?
  • Relevante Kompetenzen auf Platz: In normalen Zeiten hat jede Klinik ihre Räumlichkeiten, Führungspersonen haben ihr eigenes Büro, ihre eigenen Sekretariate, ihre eigene Logik. Während der Krise müssen häufiger und rascher Entscheidungen getroffen wer- den. Undenkbares wird also überwunden und alle relevanten Bereiche: Pflegedirektion, Medizinische Leitung, Personaleinsatzplanung, Logistik, HR-Verantwortliche, Bettendisposition, Finanzen, IT, usw. kommen in einem grossen Raum zusammen. Jede Rolle hat seinen Arbeitsplatz – durch eine Plexiglasscheibe vom anderen getrennt. Zu Beginn noch gewöhnungsbedürftig, entstehen doch schon vom ersten Tag an Zwischengespräche, die die Arbeit effizienter und produktiver machen. Es muss weniger zum Hörer gegriffen werden, weniger Emails werden geschrieben. Und an mehreren Zeitpunkten kommen die Vertreter zu einem Huddle zusammen, um die nicht gelösten Probleme zu besprechen, um Entscheide zu kommunizieren, um gemeinsam Transparenz zu schaffen. Schnittstellen beispielsweise aus anderen Standorten werden per Video zugeschaltet. Es entsteht in kürzester Zeit ein Gefühl der Gemeinsamkeit. Natürlich sind Unstimmigkeiten nicht plötzlich verschwunden, doch durch die physische Präsenz aller relevanten Funktionen wird es einfacher, fokussierte Diskussionen zu führen und Entscheidungen zu treffen. Die zeitlichen Vorgaben für die konsequent strukturierten Austauschgefässe helfen, sich auf das Wesentliche zu fokussieren.

Schwierigkeiten

  • Veränderungs-Management: In einer Krise muss es schnell gehen. Es bleibt nicht viel Zeit für das Mitnehmen aller Berufsgruppen. Während die Anspannung und die Unsicherheit hoch sind, ist dies auch nicht weiter schlimm – alle sind im Krisenmodus. Doch löst sich diese Anspannung allmählich, kommen aus dem Projektgeschäft nur allzu bekannte Bewegungen auf. Widerstand von den Stationen, die nicht einverstanden sind mit dem Eingriff in ihre Alltagsstruktur. Widerstand von leitenden Ärzten, die bei Entscheidungen mitreden möchten. Kurz und knapp: Widerstand lässt sich in dieser Situation nicht umgehen, sondern nur herauszögern. Veränderungs-Management muss immer und überall eine Rolle spielen und mitgedacht werden. Wenn es in der Krise vernachlässigt wird, muss es später nachgeholt werden.
  • Enge Zusammenarbeit zwischen IT & Basis: Die Themen Informationsfluss und zentrale Datenaggregierungslogik müssen gut aufeinander abgestimmt sein. Wenn diese beiden unabhängig voneinander Lösungen entwickeln, entsteht System, die nicht kompatibel sind. Daten können nur solange in Cockpits eingebettet werden, wie sie auch in den Systemen vorhanden sind. In Krisen funktionieren Abläufe, die vor der Krise bereits schwierig waren, noch weniger oder gar nicht mehr. Ist also die Aktualität und Vollständigkeit der im Klinikinformationssystem eingegebenen Daten problematisch, kann das Cockpit nicht basierend darauf erstellt werden. Dazu muss eventuell als Übergang eine Notlösung (im besagen Beispiel einer rasch verfügbaren Excel-Logik) entwickelt werden, wo 1:1 kontrollierbar ist, welche Teams ihre Daten eintragen und welche nicht. Dafür müssen beide Themenbereiche als integrales Paket erarbeitet werden. Die IT und die Basis müssen in gemeinsamen Workshops immer bessere Prototypen ihrer Lösung entwickeln. Schnelles Lernen ist zentral.
  • Anwesenheit einfordern: Das Operations Center lebt von der Präsenz der relevanten Stellen zu den vereinbarten Zeitpunkten. Gerade deshalb ist es von grösster Wichtigkeit bereits am ersten Tag zu beginnen, den Raum einzurichten, Bildschirme herzuschaffen und direkt vor Ort die Entwicklung voranzutreiben. Steht kein solcher Raum zu Verfügung wird es sehr schwierig, das Ganze zum Leben zu erwecken. Steht dann der Raum, muss von Tag eins an auf Anwesenheit bei den definierten Zeiten (bspw. Huddle) gepocht werden. Fehlen wichtige Funktionen können Entscheidungen nicht diskutiert werden. Folglich lässt die Wirkung dieser Treffen nach und die Relevanz von Huddles nimmt auch für die anderen Stellen ab. Deshalb gilt absolute Anwesenheitspflicht.

Transformation zu einem Operations Center für die Zeit nach COVID-19

Die Transformation für die Zeit nach der Krise stellt einen wichtigen Schritt dar und muss bereits während der Krise angedacht werden. Das Gelernte – schnelle Entscheidungsprozesse, klar definierte und standardisierte Informationsflüsse und die erhöhte Steuer- und Planbarkeit – ist natürlich auch nach der Krise relevant. Die grundlegenden Elemente bleiben dieselben, aber der Fokus verschiebt sich auf das optimale Management der vorhandenen Kapazitäten. Ein Operations Center bietet die Möglichkeit entlang des Patientenprozesses alle Ressourcen von der Sprechstunde oder Notfallaufnahme über den OP und die Diagnostik bis zu den Stationen ideal aufeinander abzustimmen. Diese Bereiche funktionieren heute mehrheitlich unabhängig voneinander, was zu grossen Reibungsverlusten führt. Wenn es gelingt, die in der Krise erfolgreiche Logik hier einzubringen, profitieren alle – Patienten, Mitarbeitende und nicht zuletzt die Führungskräfte von Krankenhäusern. Weltweit führende Krankenhäuser wie das Johns Hopkins Hospital in Baltimore machen es vor. Die Stabilisierung und Steuerung des Tagesbetriebs, die ein Operations Center ermöglicht, ist die Basis für die Bewältigung der anstehenden Herausforderungen – Fachkräftemangel, Digitalisierung, wirtschaftlicher Druck usw. Die Transformation ins Neue Normal als integraler Teil der Krise zu verstehen und auch so zu konzeptualisieren.

Fazit

Die Landung auf dem Mond 1969 oder das Andocken von Dragon an die ISS im Frühjahr 2020 basierte auf einer gut funktionierenden Mission Control. Dies ist im Krankenhaus-Umfeld analog einzubetten und nicht nur während einer Krise zu unterhalten. Die fehlende Transparenz, asynchrone Informationsbeschaffung und mangelnde Datenqualität sind alles Verschwendungselemente die innerhalb der Logik eines Operations Center adressiert werden können. Lean Gestaltungsprinzipien über Standards, Flussorientierung von Informationen und Entscheidungen, Echtzeitdaten, und die richtigen Personen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben, helfen bei der Gestaltung. Es ist in der Krise nicht möglich alles perfekt in einer ersten Version zu erstellen. Da hilft die führende Innovationsmethode Design Thinking die über prototypenbasierte Entwicklungsiterationen den Schlüsselpersonen die Möglichkeit gibt, rasch mit einer ersten funktionierenden Version «Live zu gehen» und sich kontinuierlich zu verbessern. Dabei wird Prototyp für Prototyp immer mehr Verschwendung eliminiert. Das beschriebene Beispiel aus der Schweiz zeigt wie dank Design Thinking eine enorm hohe Entwicklungsgeschwindigkeit ermöglicht wurde und Lean Gestaltungsprinzipien den Rahmen für die Lösungsentwicklung vorgaben. Diese Vorgehensweise funktioniert nicht nur für die Errichtung eines Operations Center. Immer mehr Krankenhäuser ziehen diese beiden Ansätze zu einer gewinnenden Herangehensweise zusammen, um prozessuale Innovation kontinuierlich voranzutreiben.

Wenn Sie mehr von der Projektleitung und medizinischer Direktion zu beschriebenen Operaions Center erfahren wollen, dann empfehlen die Autoren das folgende Webinar der International Hospital Federation: https://www.youtube.com/watch?v=i6UlyrkFD_k&feature=youtu.be

An den Anfang scrollen